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08.10.2012
Unternehmensteuer

Niedersächsisches FG: Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften

Die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer Schwesterpersonengesellschaft kann zu Buchwerten erfolgen, auch wenn dies vom Wortlaut des § 6 Abs. 5 EStG nicht erfasst ist. Die stillen Reserven bleiben steuerverhaftet, ein Besteuerungszweck ist nicht ersichtlich.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, übertrug im Jahr 2006 drei Grundstücke ihres Gesamthandsvermögens auf das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaft. Die Übertragung diente der Erbringung der Kommanditeinlage, der übersteigende Betrag wurde auf einem Rücklagenkonto erfasst. Die übernehmende Schwesterpersonengesellschaft führte die Buchwerte der Grundstücke fort. Das Finanzamt vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, die Grundstücke seien zum Teilwert entnommen worden und erhöhte den Gewinn der Klägerin entsprechend. Der BFH hat die Aussetzung der Vollziehung gewährt, nachdem das FG den Antrag abgelehnt hatte.

Entscheidung
Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat zu Unrecht einen Entnahmegewinn erfasst.

Werden Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft unentgeltlich in das Betriebsvermögen einer anderen Personengesellschaft übertragen, an der die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft ebenfalls beteiligt sind, so geht dieser Übertragung eine Entnahme voraus, die mit dem Teilwert des entnommenen Wirtschaftsguts anzusetzen ist. Im Zusammenhang mit der Übertragung eines Wirtschaftsgutes würde nur dann kein steuerpflichtiger Gewinn anfallen, wenn nach den steuerlichen Vorschriften eine Buchwertfortführung möglich wäre.

Die vorliegende Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwestergesellschaften ist vom Wortlaut von § 6 Abs. 5 EStG nicht erfasst, allerdings sei die Regelung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf Übertragungen zwischen Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zu erstrecken (BFH-Beschluss vom 15.04.2010). Der Gesetzgeber habe sich für eine transparente Besteuerung von Personengesellschaften entschieden. Die Personengesellschaft sei danach Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte. Aus dem Subjektsteuerprinzip folge, dass jeder Gesellschafter den auf ihn entfallenden Anteil an den erzielten Einkünften zu versteuern habe. Jedem Gesellschafter sei auch sein Anteil an den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zuzuordnen. Folgerichtig sei es, wenn ein Steuersubjekt die ihm zuzuordnenden stillen Reserven ungeachtet dessen beibehalte, in welchem Betriebsvermögen sich das betreffende Wirtschaftsgut befinde. Es sei eine besondere Rechtfertigung erforderlich, um stille Reserven der Besteuerung zu unterwerfen, wenn diese dadurch demselben Steuersubjekt zugeordnet bleiben, dass sie von dem Gesamthandsvermögen einer mitunternehmerischen Personengesellschaft unentgeltlich oder gegen Minderung und Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen anderen mitunternehmerischen Personengesellschaft übertragen werden. Eine derartige Rechtfertigung sei jedoch nicht ersichtlich.

Dem schließt sich der erkennende Senat an. Im vorliegenden Fall einer Übertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften ist ein Besteuerungszweck in keiner Weise ersichtlich, da die stillen Reserven steuerverhaftet bleiben. Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung des 1. Senats des BFH (BFH-Urteil vom 25.11.2009), dass eine Buchwertübertragung bei der vorliegenden Gestaltung nur auf eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 EStG gestützt werden könne, ein Analogieschluss aber mangels planwidriger Unvollständigkeit des Gesetzes nicht möglich sei. Aus dem Gesetzestext ergibt sich nicht, dass gerade eine Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften vom Gesetzgeber nicht gewollt war. Insbesondere ist in § 5 Abs. 6 EStG keine Regelung aufgenommen, die einen Buchwerttransfer zwischen Schwestergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Die vom 4. Senat im Beschluss vom 15.04.2010 vorgenommene Auslegung des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG ist dann nicht zu beanstanden. Lässt eine Norm mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führen, so ist die Norm verfassungsmäßig und muss verfassungskonform ausgelegt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 09.08.1978).

Der festgestellte Gewinn der Klägerin ist herabzusetzen. Die Revision wurde zugelassen und ist vor dem BFH anhängig: IV R 28/12.

Betroffene Norm
§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG 2002, § 6 Abs. 5 EStG 2002
Streitjahr 2006

Anmerkung
Der I. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 10.04.2013 eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 6 Abs. 5 S. 3 EStG insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz desGrundgesetzes verstößt, als hiernach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert möglich ist. Der BFH hält mit Beschluss vom 27.12.2013 die Voraussetzungen für gegeben, das hiesige Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG auszusetzen.

Vorinstanz
BFH, Beschluss vom 15.04.2010, IV B 105/09, BStBl II 2010 S. 971 (AdV-Verfahren), siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 31.05.2012, 1 K 271/10, BFH-anhängig: IV R 28/12

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl II 2010 S. 471, siehe Deloitte Tax-News
BVerfG, Beschluss vom 09.08.1978, 2 BvR 831/76, BVerfGE 49, S. 148
BFH, Beschluss vom 10.04.2013, I R 80/12, BStBl II 2013, S. 1004, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 27.12.2013, IV R 28/12, nicht amtlich veröffentlicht

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