FG Nürnberg: Anwendung der Mindestbesteuerung zweifelhaft
Sachverhalt
Die B-GmbH hatte zum 31.12.2006 einen Verlustvortrag iHv 35 Mio Euro, der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug in 2007 4,3 Mio Euro. Aufgrund der Anwendung der Mindestbesteuerung wurde der Verlustabzug teilweise versagt. Im Jahr 2008 fand ein schädlicher Gesellschafterwechsel gem. § 8c KStG bzw. Verschmelzung § 12 Abs. 3 UmwStG statt, der zum Untergang des verbleibenden Verlustvortrags führte. Die Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der für 2007 festgesetzten Körperschaftsteuer.
Entscheidung
Es bestehen erhebliche Bedenken, die Mindestbesteuerung anzuwenden, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist.
Gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG (Mindestbesteuerung) können Verlustvorträge nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro unbeschränkt abgezogen werden. Darüber hinausgehende negative Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind nur noch um 60 v.H. des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte ausgleichsfähig. Im Ergebnis werden 40 v.H. des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. Euro überschreiten.
Der zum 31.12.2007 festgestellte körperschaftsteuerliche Verlustvortrag ist im Jahr 2008 unstreitig gemäß § 8c KStG bzw. gemäß § 12 Abs. 3 UmwStG untergegangen. Für die Antragstellerin besteht damit nicht mehr die Möglichkeit, auch den im Jahr 2007 wegen der Mindestbesteuerung nicht verrechenbaren Verlustvortrag in den Folgejahren mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte auszugleichen.
Mit der Einführung der Mindestbesteuerung sollte die einkommensteuerliche Verlustverrechnung erleichtert und das Steueraufkommen verstetigt werden. In der Gesetzesbegründung heißt es u.a. "Durch diese Regelung wird der Verlustabzug lediglich zeitlich gestreckt, es gehen aber keine Verluste endgültig verloren." Gegen eine zeitliche Streckung der ertragsteuerlichen Verlustverrechnung bestehen dem Grunde nach keine Bedenken. Es bestehen jedoch erhebliche Bedenken, da der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 10 d Abs. 2 EStG keine Sonderregelung für die Fälle getroffen hat, in denen ein Verlustvortrag wegen der Mindestbesteuerung endgültig verfällt. Die in der Rechtsprechung und Literatur geäußerten Zweifel, denen sich das Gericht anschließt, rechtfertigen die Gewährung der beantragten AdV.
Der BFH hat hierzu mit Beschluss vom 26.08.2010 (I B 49/10) entschieden - siehe ausführlicher in den Deloitte Tax-News.
Anmerkungen
Der BFH hat mit Urteil vom 22.08.2012 nun entschieden, dass insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung bestehen, als der Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Ob dies in Definitivsituationen anders zu würdigen ist, konnte offenbleiben, weil sich der spätere Ausschluss einer steuerlichen Ausgleichsmöglichkeit für die klagende Kapitalgesellschaft im Streitjahr nicht hinreichend sicher prognostizieren ließ. Für Sachverhalte, in denen sich eine solche Prognose treffen lässt, steht die Antwort auf die Frage nach der Verfassungswidrigkeit der Mindestbesteuerung nach wie vor aus.
BFH, Urteil vom 22.08.2012, I R 9/11, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
Finanzgericht Nürnberg, Beschluss vom 17.03.2010, 1 V 1379/2009