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12.11.2010
Unternehmensteuer

FG Münster: Bandbreite für eine voraussichtlich dauernde Wertminderung bei Aktien

Sachverhalt

Die Klägerin hat zum 31.12.2001 Teilwertabschreibungen auf ihre Aktien im Anlagevermögen vorgenommen. Das Finanzamt erkannte die Teilwertabschreibungen nicht in voller Höhe an, da von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung nur auszugehen sei, wenn der Börsenkurs zum jeweiligen Bilanzstichtag um mehr als 40 % oder an zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen um jeweils mehr als 25 % unter die Anschaffungskosten gesunken sei (BMF-Schreiben vom 26.03.2009). Daran fehle es zum 31.12.2001. Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Gesetz eine voraussichtlich dauernde Wertminderung ausreichen lasse und nicht fordere, dass die Wertminderung zusätzlich "wesentlich" sein müsse. Daher gebe es keine Rechtsgrundlage für die Festlegung bestimmter Schwellenwerte. Ferner sei im Rahmen der Wertaufhellung zu berücksichtigen, dass die Kurse zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung um jeweils sogar mehr als 50 % unter den Erwerbskursen gelegen hätten.

Streitig ist, unter welchen Voraussetzungen bei Aktien eine "voraussichtlich dauernde Wertminderung" im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG anzunehmen ist.

Entscheidung

Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin ist in ihren Rechten verletzt, als das Finanzamt die Vornahme einer Teilwertabschreibung auch insoweit versagt hat, als der Kurs der jeweiligen Aktienposition zum Bilanzstichtag um mehr als 20 % unter den im Zeitpunkt des Erwerbs maßgebenden Kurs abgesunken war.

In seiner grundlegenden Entscheidung hat der BFH ausgeführt, dass bei börsennotierten Aktien des Finanzanlagevermögens von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen sei, wenn deren Kurswert zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken sei und zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz keine Anhaltspunkte für ein alsbaldiges Ansteigen des Kurses vorliegen würden (BFH-Urteil vom 26.09.2007). Die Frage, ob jedes Absinken des Kurswerts in der Bilanz nachvollzogen werden müsse oder ob Wertveränderungen innerhalb einer gewissen Bandbreite aus Gründen der Verwaltungsökonomie und der Bilanzstetigkeit als nur vorübergehende Wertschwankungen zu beurteilen seien, ist vom BFH bisher offen gelassen worden. Der erkennende Senat möchte für den Regelfall typisierende Kriterien anwenden. Hierfür sprechen Verwaltungsökonomie als auch allgemeine Grundsätze der Rechtsmethodik.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Bandbreite, innerhalb der ein Absinken des Börsenkurses bei Aktien des Anlagevermögens für den Regelfall noch als Ausdruck einer vorübergehenden Wertschwankung anzusehen ist, in typisierender Weise dahingehend festzulegen, dass eine Teilwertabschreibung nur dann allein auf die Entwicklung der Börsenkurse ohne Heranziehung weiterer Kriterien gestützt werden kann, wenn entweder der Börsenkurs am Bilanzstichtag um mehr als 20 % unter dem Kurs beim Erwerb des Wertpapiers liegt, oder der Börsenkurs an zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen jeweils um mehr als 10 % unter dem Kurs beim Erwerb des Wertpapiers liegt. Grundsätzlich für das Abstellen auf prozentuale Schwankungsbreiten spricht die - auch dem IDW-Standard RS VFA 2 zugrunde liegende - Erfahrung des Wirtschaftslebens, wonach die Wahrscheinlichkeit, dass eine bereits eingetretene Wertminderung sich als voraussichtlich dauernd erweisen wird, um so höher ist, je größer der Umfang dieser Wertminderung ist. Hinzu kommt, dass die Qualität der Prognose, die für eine voraussichtliche Dauerhaftigkeit der Wertminderung spricht, mit der bisherigen Dauer einer bereits eingetretenen und anhand einer Vergangenheitsbetrachtung beobachtbaren Wertminderung steigt. Dies legt es nahe, die maßgebende Bandbreite zu verringern, wenn ein Kursrückgang nicht nur punktuell auftritt, sondern schon über einen gewissen Zeitraum zu beobachten ist.

In Übereinstimmung mit dem IDW - und der im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Auffassung der Finanzverwaltung - ist der Betrag einer Teilwertabschreibung zu begrenzen, wenn zwar der Börsenkurs am Bilanzstichtag unter den unteren Rand der maßgebenden Bandbreite abgesunken ist, der Kurs am Tag der Bilanzaufstellung aber wieder höher notiert.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Bisher fehlt es an allgemein anerkannten typisierenden Kriterien für die als Teil eines "Massenverfahrens" anzusehende jährlich wiederkehrende Prüfung, ob eine Teilwertabschreibung auf Aktien des Anlagevermögens vorzunehmen ist.

Anmerkung

Das FG Köln schließt sich mit Urteil vom 24.08.2011, 13 K 1567/07, EFG 2011, S. 2092 im Fall von Teilwertabschreibungen auf börsennotierte Aktienfonds im Anlagevermögen den Ausführungen des FG Münster an. Ein für (nur) einen Bilanzstichtag gegebenes Absinken des Börsenkurses um mehr als 20 % für sich allein, d.h. ohne die Notwendigkeit für den Steuerpflichtigen weitere Indizien für eine voraussichtliche andauernde Wertminderung vorzutragen und ggf. zu beweisen, ist hinreichend, um die Prognose eines voraussichtlichen Andauerns der Wertminderung zu tragen, wenn sich der Börsenkurs zum Bilanzaufstellungstag nicht wieder erholt hat. Auch gegen diese Entscheidung wurde Revision beim BFH eingelegt, BFH: I R 61/11.

Betroffene Norm

§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG
Streitjahr 2001

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 31.08.2010, 9 K 3466/09 K,G;  BFH-anhängig: I R 89/10

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 26.03.2009, BStBl I 2009, S. 514
BFH, Urteil vom 26.09.2007, I R 58/06, BStBl II 2009, S. 294

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