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18.02.2011
Private Einkommensteuer

FG Baden-Württemberg: Erstattungszinsen sind keine außerordentlichen Einkünfte

Vom Finanzamt geleistete Erstattungszinsen sind steuerpflichtig, da auch eine erzwungene Kapitalüberlassung zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen kann. Sie stellen keine außerordentlichen Einkünfte dar, da sie weder als Entschädigung noch als Nutzungsvergütung zu beurteilen sind. Auch bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, Erstattungszinsen dem normalen Steuertarif zu unterwerfen.
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Der BFH hat die Auffassung des FG bestätigt, wonach Erstattungszinsen steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen sind. Die gesetzliche Regelung (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG), die dies festschreibe, verstoße – auch im Hinblick auf ihre rückwirkende Geltung – nicht gegen Verfassungsrecht.
BFH, Urteil vom 12.11.2013, VIII R 36/10, siehe Deloitte Tax-News

FG Baden-Württemberg:

Sachverhalt

Die Klägerin erzielte im Jahr 1995 einen Gewinn aus der Veräußerung ihrer Kommanditbeteiligung gem. § 16 EStG. Im Jahr 2006 stellte sich heraus, dass der Veräußerungsgewinn endgültig ausgefallen ist. Der Einkommensteuerbescheid 1995 wurde entsprechend geändert und Erstattungszinsen festgesetzt. Die Erstattungszinsen für einen Zeitraum von 109 Monaten in Höhe von 118.101 Euro wurden in 2006 gezahlt und im Einkommensteuerbescheid 2006 als Einkünfte aus Kapitalvermögen der laufenden Besteuerung unterworfen.

Die Kläger beantragten, die ermäßigte Besteuerung des § 34 EStG auf die im Streitjahr 2006 zugeflossenen Erstattungszinsen anzuwenden, das Klageverfahren bis zur Entscheidung des BFH-Revisionsverfahrens VIII R 33/07 auszusetzen und hilfsweise den Rechtsstreit dem BVerfG vorzulegen, denn für die einkommensteuerrechtliche Ungleichbehandlung von Erstattungszinsen einerseits und von Nachzahlungszinsen andererseits gebe es keine sachliche Rechtfertigung.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Recht die im Jahr 2006 gezahlten Erstattungszinsen nicht als außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG behandelt und daher nicht mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert.

Vom Finanzamt geleistete Erstattungszinsen sind steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, vgl. BFH-Urteil vom 25.10.1994 m.w.N.), da auch eine erzwungene Kapitalüberlassung zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen kann.

Sie stellen keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 EStG dar, da die tatbestandlichen Voraussetzungen der einzelnen Alternativen des § 34 Abs. 2 EStG nicht gegeben sind. Erstattungszinsen sind keine Entschädigung (§ 24 Nr. 1 EStG), da sie nicht als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Nach Ansicht des erkennenden Senats liegt eine Vergleichbarkeit von Verzugszinsen und Erstattungszinsen vor. Durch beide soll ein entstandener Nachteil ausgeglichen werden. Bei Verzugszinsen hat der BFH bereits entschieden, dass eine ermäßigte Besteuerung nicht in Betracht komme (BFH, Urteil vom 29.09.1981). Darüber hinaus wäre es widersprüchlich, wenn Erstattungszinsen einerseits als Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 EStG und anderseits gleichzeitig als Entschädigung für entgangene Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG angesehen werden würden. Erstattungszinsen sind auch keine Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke (§ 24 Nr. 3 EStG). Ferner handelt es sich bei den Erstattungszinsen nicht um Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG), da sie nicht für eine Tätigkeit der Kläger, sondern für eine Kapitalüberlassung vergütet werden.

Die Aussetzung des Klageverfahrens wird abgelehnt, da es in dem anhängigen Verfahren VIII R 33/07 zum einen lediglich um die vorliegend nicht streitgegenständliche Frage geht, ob aufgrund der Erfassung von Erstattungszinsen auf der Einnahmeseite nicht Nachzahlungszinsen entsprechend steuerlich absetzbar sein müssten. Zum anderen hat der BFH bereits entschieden, dass gegen die Regelung des § 12 Nr. 3 EStG keine verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (BFH-Urteil vom 02.09.2008). Der erkennende Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Steuerpflicht der geleisteten Erstattungszinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und die Nichtanwendung der Fünftelregelung auf die streitgegenständlichen Erstattungszinsen. Der Gesetzgeber hat seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der Regelung des ermäßigten Steuersatzes nicht überschritten. Das Verfahren ist vor dem BFH anhängig (VIII R 36/10).

Betroffene Norm

§ 233a AO, § 34 Abs. 1 und 2 EStG, § 24 Nr. 1 und Nr. 3 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, Streitjahr 2006

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12.11.2013, VIII R 36/10, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29.01.2010, 10 K 2720/09, EFG 2010, S. 723

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 15.06.2010, VIII R 33/07, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News 
BFH, Urteil vom 25.10.1994, VIII R 79/91, BStBl II 1995, S. 121
BFH, Urteil vom 29.09.1981, VIII R 39/78, BStBl II 1982, S. 113
BFH, Urteil vom 02.09.2008, VIII R 2/07, BFH/NV 2009, S. 264

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