FG: Niedersächsisches Finanzgericht entscheidet ersten deutschen „Marks & Spencer“ - Fall
Sachverhalt
Die Klägerin, eine geschäftsleitende Holding, wollte die nicht ausgeglichenen und nach Liquidation ihrer italienischen Tochtergesellschaften definitiven Verluste im Inland im Rahmen einer „faktischen“ Organschaft geltend machen und berief sich hierfür auf das Urteil des EuGH in der Rechtsache Marks & Spencer.
Entscheidung
Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass die endgültigen Verluste der Klägerin aus ihren italienischen Tochtergesellschaften nicht im Inland zu berücksichtigen sind, da die Voraussetzung einer im Voraus vereinbarten Verlustübernahme zwischen der Mutter- und den Tochtergesellschaften nicht erfüllt war.
Nach § 14 ff. KStG können deutsche Muttergesellschaften Verluste ihrer inländischen Tochtergesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen einer Organschaft mit eigenen Gewinnen verrechnen. Die Einschränkung auf Verluste inländischer Tochtergesellschaften sah das Niedersächsische Finanzgericht insoweit als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 und 48 des EG-Vertrags an, als auch sog. "definitive" Verluste der Tochtergesellschaften von einem Abzug in Deutschland ausgeschlossen werden.
Das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts erfolgte auf der Grundlage der Entscheidung des EuGH in der Rechtsache "Marks & Spencer". Danach ist es Mitgliedstaaten möglich Verlustverrechnungsmöglichkeiten innerhalb eines Konzerns auf die im jeweiligen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften zu beschränken, da dies im Grundsatz spiegelbildlich der Besteuerung der jeweiligen Gewinne entspricht. Sofern Verluste der Tochtergesellschaften in deren Ansässigkeitsstaat aber infolge eines wirtschaftlichen Misserfolgs (z.B. nach Liquidation oder Verkauf der Tochtergesellschaft) steuerlich gar nicht mehr geltend gemacht werden können, muss der Staat der Muttergesellschaft derartige "definitive" Verluste zum Abzug zulassen, falls er einen entsprechenden Verlustabzug bei vergleichbaren Verlusten inländischer Tochtergesellschaften erlaubt.
Nach der Entscheidung des Finanzgerichts ist ein Abzug definitiver Verluste ausländischer Tochtergesellschaften bei der Muttergesellschaft allerdings nur dann möglich, wenn sie sich im Voraus vertraglich bindend zur Übernahme der Verluste verpflichtet hat. Dieses Erfordernis folgt aus der durch das Finanzgericht gemeinschaftsrechtskonform ausgelegten Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG. Für inländische Sachverhalte wird ein Gewinnabführungsvertrag nach §§ 293 ff. HGB vorausgesetzt, diese Voraussetzung könne bei ausländischen Gesellschaften offensichtlich nicht erfüllt werden. Allerdings kann nach Ansicht des Finanzgerichts eine im Voraus getroffene vertragliche Verpflichtung zum Verlustausgleich auch zwischen inländischer Muttergesellschaft und ausländischer Tochtergesellschaft gefordert werden.
Eine solche Vereinbarung lag im Streitfall nicht vor, daher hatte das Finanzgericht nicht zu beurteilen welchen Anforderungen eine solche Vereinbarung entsprechen muss, um endgültige Verluste ausländischer Tochtergesellschaften im Inland abziehen zu können. Die Klage wurde abgewiesen.
Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH liegt derzeit noch nicht vor.
Fundstellen
Nds. FG, Urteil vom 11.02.2010, Az. 6 K 406/08.