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18.06.2010
Internationales Steuerrecht

BFH: Abkommensrechtliche Qualifikation einer vermögensverwaltenden, aber gewerblich geprägten spanischen Personengesellschaft

Sachverhalt

Die Antragsteller sind Eheleute, die bis zum Streitjahr 2003 an einer spanischen Gesellschaft (X) in der Rechtsform einer Sociedad en Commandita (S.C.) beteiligt waren. Deren Struktur entspricht der einer deutschen Kommanditgesellschaft. Persönlich haftende Gesellschafterin der X war die Y, eine ebenfalls spanische Gesellschaft in der Rechtsform der Sociedad Anónima (S.A.), die mit einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Die Antragsteller zählten zu den Gesellschaftern der Y und hielten ihre Beteiligungen jeweils im Sonderbetriebsvermögen der X. Das Gesellschaftsvermögen der X bestand im Wesentlichen aus einem Hotelbetrieb in Spanien, der auf Grund eines von Y eingeräumten Erbbaurechts errichtet worden und ganz überwiegend verpachtet war. X selbst betrieb in der Hotelanlage eine Boutique; zudem überwachte sie mit der Bewirtschaftung, Unterhaltung und Instandsetzung des Hotelgebäudes beschäftigte Personen. Ob die Geschäftsleitung der Gesellschaften in der Hotelanlage oder im Inland ausgeübt wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Im Streitjahr veräußerten die Antragsteller ihre Anteile an X und Y. In der für X abgegebenen Feststellungserklärung für das Streitjahr wurde der dabei erzielte Gewinn als nach dem DBA-Spanien steuerfrei erklärt. Dem folgte das Finanzamt im Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte nicht. Es stellte in Höhe des erklärten Betrags einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn fest. Das FG Baden-Württemberg lehnte einen Antrag auf AdV ab – wie schon zuvor das FA.

Entscheidung

Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen. Es bedarf weiterer Sachaufklärung, vor allem dazu, ob es sich bei den veräußerten Beteiligungen an der X als auch der Anteile an der Y tatsächlich um Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen der Antragsteller handelte. Denn möglich ist es auch, dass die Beteiligungen im Privatvermögen der Antragsteller gehalten wurden, da die X im Streitjahr einer lediglich vermögensverwaltenden Tätigkeit nachging. Davon kann im Ausgangspunkt die Antwort auf die Frage abhängen, ob Deutschland oder aber Spanien das Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zusteht. Davon hängt es wiederum maßgeblich ab, ob die in Rede stehenden Einkünfte nach dem DBA-Spanien in Deutschland besteuert werden können.

Wenn es im Streitfall um die Veräußerung beweglichen Vermögens geht, welches einer vermögensverwaltend tätigen, jedoch i.S. von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 gewerblich geprägten spanischen Personengesellschaft zuzurechnen ist, so gilt folgendes: An dieser Gesellschaft sind in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt. In dieser Konstellation unterliegen Gewinne aus der Veräußerung des beweglichen Vermögens nach Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien der deutschen und nicht nach Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien als Betriebstättengewinne der spanischen Besteuerung (entgegen BMF-Schreiben vom 24.12.1999, Tz. 1.1.5.1, jetzt BMF-Schreiben vom 16.04.2010, Tz. 4.2.1 i.V.m. Tz. 4.1.3.3.2). Denn der Anwendungsvorrang von Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien setzt voraus, dass es sich bei den betreffenden Gewinnen aus der Veräußerung beweglichen Vermögens nicht nur aus innerstaatlicher, sondern auch aus abkommensrechtlicher Sicht um die Veräußerung von Betriebsvermögen handelt. Daran mangelt es, wenn aus Abkommenssicht (bewegliches) Privatvermögen veräußert wird. Sollte X im Streitfall lediglich vermögensverwaltend und nicht gewerblich tätig gewesen sein, liegt jedoch die Veräußerung von Privatvermögen vor, so dass sich die Besteuerung nach Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien richtet und damit Deutschland als Ansässigkeitsstaat zufällt.

Nach spanischem Recht wird eine Personengesellschaft im Gegensatz zum deutschen Recht steuerlich als intransparent behandelt. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Besteuerung des in Deutschland ansässigen Gesellschafters einer derartigen spanischen Gesellschaft nach Maßgabe des DBA-Spanien auf der Grundlage des deutschen oder aber des spanischen Steuerrechts vorzunehmen ist. Nach deutschem Recht sind die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte unmittelbar den Gesellschaftern zuzurechnen. Das hat abkommensrechtlich zur Folge, dass sowohl ein von der Personengesellschaft betriebenes Unternehmen als auch die Betriebsstätten eines solchen Unternehmens unmittelbar den Gesellschaftern der Personengesellschaft zugeordnet werden. Hieraus könnte für die in Rede stehenden Veräußerungsgewinne ein Besteuerungsrecht Deutschlands abgeleitet werden. Wird die Gesellschaft hingegen entsprechend dem spanischen Verständnis als „intransparent“ behandelt, könnte hieraus ein Besteuerungsrecht Spaniens folgen.

Eine Personengesellschaft, die ausschließlich in Spanien über eine Betriebstätte verfügt, vermittelt ihrem Gesellschafter eine Betriebstätte i.S. des Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien. Im Streitfall halten die Antragsteller Anteile an der Y. Geht man davon aus, dass Y sich auf die Leitung der X beschränkt und keinen eigenen operativen Geschäftsbetrieb unterhalten hat, so gehört nach deutschem Steuerrecht die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (Y) zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters der Personengesellschaft (X). Das wiederum hat zur Folge, dass die Beteiligung abkommensrechtlich einer durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebstätte des Gesellschafters zuzurechnen ist. Dieser Grundsatz muss möglicherweise auch im Streitfall gelten. Daraus würde wiederum folgen, dass die Anteile der Antragsteller an der Y einer in Spanien belegenen Betriebstätte zuzuordnen sind und die Gewinne aus ihrer Veräußerung daher gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien in Deutschland nicht besteuert werden dürfen.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die von den Antragstellern erzielten Veräußerungsgewinne möglicherweise nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien von der deutschen Steuer freizustellen sind. Dem steht § 50d Abs. 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 (EStG 2002 n.F.) nicht entgegen. Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. wird eine in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorgesehene Steuerbefreiung nicht gewährt, wenn der andere Vertragsstaat das Abkommen so anwendet, dass die in diesem Staat erzielten Einkünfte von der dortigen Besteuerung auszunehmen sind. Diese Situation liegt im Streitfall vor. Denn da das spanische Steuerrecht Personengesellschaften nach Art der X wie Kapitalgesellschaften (intransparent) behandelt, unterliegen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer solchen Gesellschaft aus der Sicht Spaniens grundsätzlich Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien.

In der im Streitfall gegebenen Situation weist das DBA-Spanien deshalb nach dem Verständnis Spaniens das Besteuerungsrecht ausschließlich der Bundesrepublik Deutschland zu. Dem entsprechend sind dann auch im Streitfall die Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung der Anteile an der X in Spanien nicht besteuert worden. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. ist damit im Streitfall einschlägig. Es ist indes ernstlich zweifelhaft, ob § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Mangels Vorrangs des öffentlichen Interesses am Vollzug des Gesetzes ist dem Steuerpflichtigen infolgedessen jedenfalls für Steuerbescheide, die für Veranlagungszeiträume vor Einfügung dieser Vorschrift in das Gesetz ergangen sind, vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren.

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.11.2009, 6 V 2234/09

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 19.05.2010, I B 191/09, BStBl II 2011, S. 156

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