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20.12.2010
Internationales Steuerrecht

BFH: Abkommensrechtliche Behandlung von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische Personengesellschaft, an der eine in den USA ansässige Kapitalgesellschaft (US-Kapitalgesellschaft) mit 25,1 % als Kommanditistin beteiligt ist. Die US-Kapitalgesellschaft gewährte der Klägerin die Lizenz, ihre Produkte zu verkaufen, zu vermarkten und zu verteilen und Dienstleistungen zu erbringen sowie die Marke und den Handelsnamen der US-Kapitalgesellschaft zu benutzen und erhielt im Gegenzug eine Lizenzgebühr von 8 % auf den Jahresumsatz der Klägerin für alle Geschäfte, die sich auf Produkte oder Dienstleistungen oder die Verbindung der Marke des Handelsnamens der US-Kapitalgesellschaft beziehen.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei den Lizenzzahlungen der Klägerin um Sondervergütungen der US-Kapitalgesellschaft handele, die deren inländischer Betriebsstätte zuzurechnen seien. Die Klage war erfolglos. Das FG stützte sich zur Begründung auf die neugeschaffene Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2009 (EStG 2002 n.F.), die Sondervergütungen in Unternehmensgewinne umqualifiziert, wenn auf diese ein DBA anzuwenden ist, das keine ausdrückliche Bestimmung zu Sondervergütungen enthält. Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, den Gewinn aus Gewerbebetrieb ohne Einbeziehung der Lizenzzahlungen als Sondervergütungen zu ermitteln.

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Bei den Lizenzvergütungen handelt es sich um Sondervergütungen der US-Kapitalgesellschaft, jedoch dürfen sie nicht in Deutschland, sondern nur in den USA besteuert werden.

Lizenzvergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person als Nutzungsberechtigter bezieht, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden (Art. 12 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F.). Diese Regelung greift im Streitfall unbeschadet dessen ein, dass die Lizenzvergütungen nach deutschem Recht als gewerbliche Einkünfte zu behandeln sind (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und an sich den Einkünften aus gewerblichen Gewinnen unterliegen (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DBA-USA 1989 a.F.); die speziellere abkommensrechtliche Einkunftsart des Art. 12 DBA-USA 1989 a.F. geht insofern infolge des Art. 7 Abs. 6 DBA-USA 1989 a.F. und des darin angeordneten sog. Spezialitätenvorrangs vor. Die im BFH-Urteil vom 17.10.2007 aufgestellten Rechtsgrundsätze gelten hier gleichermaßen (das BFH-Urteil vom 17. 10.2007 ist zu der vergleichbaren Situation einer Darlehensgewährung (Zinserträge nach Art. 11 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F.) ergangen).

Ein Besteuerungsrecht Deutschlands lässt sich auch nicht aus dem sog. Betriebsstättenvorbehalt ableiten (Art. 12 Abs. 3 DBA-USA 1989 a.F.), da die besagten Rechte oder Vermögenswerte nicht zu der deutschen Betriebsstätte gehören. Ausschlaggebend ist, dass die Rechte oder Vermögenswerte nur dann in der gebotenen tatsächlich-funktionalen Weise zu der Betriebsstätte gehören können, wenn sie aus der Sicht der Betriebsstätte einen Aktivposten bilden (vgl. BFH-Urteil vom 17.10.2007).

Der Gesetzgeber des JStG 2009 hat mit § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F. eine Regelung geschaffen, welche darauf abzielt, das deutsche Besteuerungsrecht sicherzustellen. Danach gelten Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz und Nr. 3 zweiter Halbsatz EStG 2002 ausschließlich als Unternehmensgewinne, wenn das DBA keine ausdrückliche Regelung für solche Vergütungen enthält. Die neue Regelung des § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F. ist in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F., § 36 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 7 Satz 6 GewStG 2002 n.F.).

Konsequenz dieser Neuregelungen ist, dass für Sondervergütungen allein Art. 7 DBA-USA 1989 a.F. anzuwenden ist und der Betriebsstätte die gewerblichen Gewinne zugerechnet werden, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges und unabhängiges Unternehmen ausgeübt hätte. Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. sind hier nicht erfüllt. Die Absicht des Gesetzgebers, das deutsche Besteuerungsrecht unbeschadet der Abkommensvorschriften und der dazu ergangenen Rechtsprechung mittels einer unilateral fingierten Einkunftsqualifikation durchzusetzen, leidet in ihrer Wirkkraft daran, dass diese Fiktion tatbestandlich zu kurz greift. Sie ordnet lediglich die abkommensrechtliche Einkunftsart an, suspendiert jedoch nicht zugleich von den Erfordernissen der (abkommensrechtlichen) Existenz einer Betriebsstätte (Art. 5 OECD-MA) sowie der (ebenfalls abkommensrechtlichen) Betriebsstättenzurechnung. Unterwirft man Sondervergütungen abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen, kommt zwar Art. 7 OEDC-MA (hier Art. 7 DBA-USA 1989 a.F.) und kommen nicht Art. 10, Art. 11 und Art. 12 OECD-MA zum Zuge. Doch bedingt dies strenggenommen einen Zirkelschluss der Anwendung, weil dann nicht nur Art. 7 Abs. 1 OECD-MA, sondern diese Abkommensvorschrift insgesamt anzuwenden ist, also einschließlich des sog. Spezialitätenvorrangs (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA; hier Art. 7 Abs. 6 DBA-USA 1989 a.F.), der wiederum zu Einkünften nach den jeweils spezielleren Einkunftsarten führt. So gesehen würde der Anwendungsbefehl des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. schon im Ansatz unterlaufen.

Selbst wenn man lediglich Art. 7 Abs. 1 und nicht zugleich Abs. 7 OECD-MA für anwendbar erachtet, greifen für die Beantwortung der Zurechnungsfrage allgemeine Verursachungs- und Veranlassungsgesichtspunkte. Auch diese Gesichtspunkte orientieren sich indessen an dem "wirklich" wirtschaftlich Verwirklichten und stimmen weitgehend mit den Zurechnungsmaßstäben der genannten Betriebsstättenvorbehalte überein. Aber auch dann, wenn man die Frage der Betriebsstättenzurechnung allein nach nationalem Recht beantworten möchte, ergäbe sich nichts anderes, weil die (nationale) Einkünftequalifikation und Zurechnungsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1997/2002 nichts zur (abkommensrechtlichen) Betriebsstättenzurechnung aussagt. Es verbleibt mithin bei den allgemeinen Zurechnungserfordernissen des jeweiligen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und es beantwortet sich die Zurechnungsfrage ihrerseits allein unter autonomer Abkommensauslegung (ebenso z.B. Christian Schmidt, IStR 2010, 413).

Das FG hat festgestellt, dass die Lizenzrechte in den USA verwaltet und von dort aus weltweit vermarktet werden. Damit sind sie ebenso wie die daraus generierten Gewinne dem US-amerikanischen "Stammhaus" der US-Kapitalgesellschaft und nicht der Klägerin zuzurechnen. Ausschlaggebend für die abkommensrechtliche Gewinnzurechnung ist allein, wo und von wo aus die Lizenzrechte verwaltet und vermarktet worden sind.

Es bedarf angesichts dessen keiner weiteren Überlegungen dazu, ob die rückwirkende Anwendung von § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F. gegen das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte Rechtsstaatsgebot verstößt, oder ob die Neuregelung insgesamt als sog. Treaty override völker- und verfassungsrechtswidrig ist (§ 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F., § 36 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 7 Satz 6 GewStG 2002 n.F.).

Betroffene Normen

§ 50d Abs. 10 EStG; § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, Art. 7 und 12 DBA USA
Streitjahre 2001 bis 2003

Anmerkungen

Das „Nachbessern“ wird nun eng für die Finanzverwaltung. Siehe dazu auch Beitrag von Prof. Dr. Christian Schmidt in DStR 2010, S. 2436: Sondervergütungen auf Abkommensebene – Was nun, Finanzverwaltung und Gesetzgeber? Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 08.09.2010, I R 74/09

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 30.07.2009, 1 K 1816/09, EFG 2009, S. 1954

Fundstelle

BFH, Urteil vom 08.09.2010, I R 74/09

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 17.10.2007, I R 5/06, BStBl II 2009, S. 356 
DStR-Gastkommentar von Prof. Dr. Christian Schmidt: Der BFH hat entschieden - § 50d Abs. 10 EStG ist doch ein zahnloser Tiger, DStR 2010, Heft 38, S. VI

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