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28.10.2010
Thema des Monats

Einkommensteuerliche Behandlung von Berufsausbildungskosten

Der BFH hat mit zwei Urteilen vom 09.02.2012 (siehe Deloitte Tax-News) entschieden, dass Fahrten zwischen der Wohnung und einer vollzeitig besuchten Bildungseinrichtung in voller Höhe (wie Dienstreisen) und nicht nur beschränkt in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungkosten abgezogen werden können (Änderung der Rechtsprechung).
BFH, Urteil vom 09.02.2012, VI R 42/11
BFH, Urteil vom 09.02.2012, VI R 44/10

Sachverhalt FG

In der jüngsten Vergangenheit hatten sich verschiedene Finanzgerichte und der Bundesfinanzhof (BFH) mehrfach mit der Frage zu beschäftigen, ob und in welchem Umfang Kosten für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium bzw. Kosten für weitere Berufsausbildungen oder Studien steuerlich abzugsfähig sind.

Das Steuerrecht unterscheidet seit jeher bei Aufwendungen für berufsbezogene Bildungsmaßnahmen zwischen solchen, die als Fortbildungskosten Werbungskosten darstellen und damit grundsätzlich in voller Höhe abzugsfähig sind und solchen, die als Ausbildungskosten lediglich begrenzt zum Sonderausgabenabzug herangezogen werden können.

Mit seinem überarbeiteten Anwendungsschreiben vom 22.09.2010 trägt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) der aktuellen BFH-Rechtsprechung Rechnung und legt die geänderte einkommensteuerliche Behandlung von Berufsausbildungskosten ausführlich dar.

Danach sind Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium als Kosten der privaten Lebensführung grundsätzlich steuerlich nicht als Werbungskosten abzugsfähig, es sei denn, die Ausbildung findet im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Soweit der Abzug als Werbungskosten ausscheidet, kommt lediglich ein Sonderausgabenabzug (max. 4.000 Euro im Kalenderjahr) zum Tragen.

Erstmalige Berufsausbildung und Erststudium

Die Finanzverwaltung definiert dabei eine erstmalige Berufsausbildung als eine berufliche Ausbildungsmaßnahme, mit der der Steuerpflichtige die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufes befähigen. Dabei ist Voraussetzung, dass der Beruf durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt wird und dieser durch eine Prüfung abgeschlossen wird. Darüber hinaus ist die Berufsausbildung dann als erstmalige Berufsausbildung anzusehen, wenn ihr keine andere abgeschlossene Berufsausbildung bzw. kein abgeschlossenes berufsqualifizierendes Hochschulstudium vorangegangen ist. Ein Studium wird dann als erstmaliges Studium angesehen, wenn es sich dabei um eine Erstausbildung handelt, d.h. es darf diesem kein anderes durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendetes Studium oder keine andere nichtakademische Berufsausbildung vorangegangen sein.

Das o.a. BMF-Schreiben vom 22.09.2010 regelt auch spezifische Einzelfragen, wie unter anderem, dass eine nachgeholte Berufsausbildung eines Steuerpflichtigen eine erstmalige Berufsausbildung darstellt. Auch werden die steuerlichen Folgen von Wiederaufnahme eines Studiums oder der Berufsausbildung nach Wechsel oder Unterbrechungen erläutert.

Entstehen dem Steuerpflichtigen, der sich in seiner erstmaligen Ausbildungsphase befindet, danach also Kosten für seine eigene Erstausbildung, können diese Aufwendungen lediglich im Rahmen des Sonderausgabenabzuges bis maximal 4.000 Euro in Ansatz gebracht werden.

Fort- und Ausbildung nach Abschluss einer Ausbildung bzw. eines Studiums 

Ist einer Berufsausbildung oder einem Studium bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes (Erst-) Studium vorausgegangen, handelt es sich bei den durch die weitere Ausbildung bzw. das weitere Studium veranlassten Aufwendungen um Werbungskosten. Zu beachten ist hier jedoch, dass ein hinreichend konkreter, objektiv feststellbarer Zusammenhang mit späteren im Inland steuerpflichtigen Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit bestehen muss, damit die Aufwendungen als (vorweggenommene) Werbungskosten berücksichtigt werden können.

Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für eine berufliche Fort- und Weiterbildung, d.h. im unmittelbaren Veranlassungszusammenhang mit dem ausgeübten Beruf, stellen Werbungskosten dar, sofern es sich nicht um die Kosten der Erstausbildung bzw. des Erststudiums handelt.

Erstmalige Berufsausbildung oder Studium im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses

Ist die Ausbildungsmaßnahme Gegenstand des Dienstverhältnisses, findet eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Studium im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses statt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, können die dadurch veranlassten Aufwendungen in voller Höhe als Werbungskosten erfasst werden.

Liegt jedoch kein Ausbildungsdienstverhältnis vor, d.h. die erstmalige Berufsausbildung bzw. das Erststudium sind nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses, sind die Aufwendungen nicht als Werbungskosten sondern lediglich als Sonderausgaben – wie oben dargestellt – begrenzt abzugsfähig. Dies gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung selbst dann, wenn die Berufsausbildung oder das Studium seitens des Arbeitgebers durch finanzielle Unterstützung (z.B. in Form eines Stipendiums) gefördert wird.

Abziehbare Aufwendungen

Zu den als Sonderausgaben bzw. als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen zählen alle Kosten, die durch die berufliche Bildungsmaßnahme veranlasst sind. Dazu gehören beispielsweise:

  • Lehrgangs-, Schul- oder Studiengebühren
  • Vorbereitungs-, Zulassungs- oder Prüfungsgebühren
  • Arbeitsmittel, Fachliteratur 
  • Fahrtkosten zwischen Wohnung und Ausbildungsort
  • Mehraufwendungen für Verpflegung, sofern die Voraussetzungen einer Auswärtstätigkeit erfüllt sind, für einen Zeitraum von bis zu 3 Monaten
  • Mehraufwendungen bei auswärtiger Unterbringung, wenn der Steuerpflichtige außerhalb seines eigenen Hausstandes übernachtet

Bei der Ermittlung der, der Höhe nach abzugsfähigen Aufwendungen sind die geltenden gesetzlichen Regelungen, z.B. zu den Verpflegungsmehraufwendungen und zu den Fahrtkosten, zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass die Verpflegungsmehraufwendungen in Abhängigkeit von der Abwesenheit vom eigenen Wohnort zu ermitteln sind. Hinsichtlich der Fahrten zum Ausbildungsort ist zudem zu prüfen, ob der Ausbildungsort eine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt. Ist dies zu bejahen, kommt lediglich ein Abzug von 0,30 Euro für die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Ausbildungsort (sog. Pendlerpauschale) zum Ansatz. Stellt die Ausbildungsstätte hingegen keine regelmäßige Arbeitsstätte dar, stellen die Fahrten zwischen der Wohnung und der Ausbildungsstätte sogenannte Reisekosten dar und können entweder mit den tatsächlichen Kosten oder mit 0,30 Euro pro gefahrenem Kilometer zum Ansatz gebracht werden.

Sofern die abzugsfähigen Aufwendungen entsprechend der oben dargestellten Grundsätze als Sonderausgaben zu qualifizieren sind, ist zudem – wie bereits ausgeführt – zu beachten, dass diese der Höhe nach nur beschränkt abzugsfähig sind, d.h. bis zu einem Betrag von 4.000 Euro im Kalenderjahr. Als Werbungskosten zu qualifizierende Aufwendungen sind hingegen vollumfänglich im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abzugsfähig. Zu beachten ist außerdem, dass Werbungskosten, sollten sie nicht in voller Höhe mit (positiven) Einkünften ausgleichsfähig sein, zu einer Verlustfeststellung führen können. Die so festgestellten nicht ausgeglichenen Verluste (= Werbungskosten) können dann in nachfolgende Veranlagungszeiträume vorgetragen werden und sich dann später steuermindern auswirken. Diese Möglichkeit der Verlustfeststellung und des Vortrages ist für die den Höchstbetrag von 4.000 Euro übersteigenden Sonderausgaben hingegen nicht gegeben.

Entscheidung FG

Aktuelle Rechtsprechung und anhängige Verfahren

Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Berufsausbildungskosten zu den Sonderausgaben bzw. Werbungskosten sind sowohl beim BFH als auch bei verschiedenen Finanzgerichten Verfahren anhängig, die dabei über die nachfolgend aufgeführten Detailfragen zu entscheiden haben:

Vor dem Finanzgericht Münster ist ein Musterverfahren anhängig, welches die Frage klären soll, ob die Kosten eines typischen Erststudiums im Anschluss an das Abitur, den Wehr- oder Zivildienst oder ein soziales Jahr als Werbungskosten geltend gemacht werden können.

  • Der BFH wird darüber zu entscheiden haben, welche Voraussetzungen eine erstmalige Berufsausbildung bzw. ein Erststudium zu erfüllen haben, damit Aufwendungen für eine weitere nachfolgende Ausbildung als Werbungskosten qualifiziert und abgezogen werden können. Im vorinstanzlichen Verfahren hatte das Finanzgericht Münster entschieden, dass die während des Zivildienstes abgeschlossene Ausbildung zum Rettungssanitäter mangels der Einstufung als anerkannter Ausbildungsberuf keine Erstausbildung darstellt und damit die Kosten der nachfolgenden Pilotenausbildung, mit der der Steuerpflichtige später tatsächlich auch steuerpflichtige Einnahmen erzielte, keine Werbungskosten, sondern lediglich beschränkt abziehbare Sonderausgaben darstellen. 
  • Außerdem wird der BFH sich aufgrund eines anhängigen Verfahrens erneut mit der Frage zu beschäftigen haben, ob Aufwendungen für ein Erststudium nach erfolgreichem Schulabschluss, das nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, nicht doch (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellen. 
  • Das Finanzgericht Köln entschied, dass die im Zusammenhang mit einem unstreitig durchgeführtem Zweitstudium absolvierten Fahrten zur Universität lediglich nach Maßgabe der sogenannten Entfernungspauschale berücksichtigt werden können. Dabei war nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen, ob die Universität als regelmäßige „Arbeitsstätte“ zu qualifizieren ist. Als regelmäßige Arbeitsstätte gilt dabei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen. Bei einem herkömmlichen Studium kann dies die Universität, bei einem Fernstudium aber auch die Wohnung des Steuerpflichtigen sein, wenn er seinem Studium im Wesentlichen von zu Hause aus nachgeht. Da die Steuerpflichtige die Universität nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit (nämlich an 157 Tagen im Kalenderjahr), d.h. fortdauernd und immer wieder aufgesucht hat, konnten die Fahrtkosten lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten berücksichtigt werden. 

Aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Folgen der Berufsausbildungskosten ist deren Zuordnung zu den Sonderausgaben bzw. zu den Werbungskosten besonders wichtig. Wir unterstützen Sie und Ihre Mitarbeiter gern bei der entsprechenden Qualifizierung der Ausbildungskosten. Sprechen Sie uns an!

Fundstellen

BMF-Schreiben vom 22.09.2010, IV C 4 – S 2227/07/10002:002
Finanzgericht Münster, 11 K 4489/09 F
Finanzgericht Münster, Urteil vom 06.05.2010, 3 K 3347/07 F
Aktenzeichen des Revisionsverfahrens vor dem BFH, VI R 52/10
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 25.11.2009, 5 K 193/08
Aktenzeichen des Revisionsverfahrens vor dem BFH,  VI R 7/10
Finanzgericht Köln, Urteil vom 28.04.2010, 7 K 2486/09; BFH, Urteil vom 09.02.2012, VI R 44/10

Ansprechpartner

Peter Mosbach I Düsseldorf
Katrin Köhler I Düsseldorf

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